05.10.2012
Proyecciones en movimiento sobre cemento y acero:
IMAGENES DE TRES CONTINENTES
Museo Nacional Ferroviario Pablo Neruda
Temuco Chile
Herzen und Züge bewegt | Projektionen auf Beton und Metall |
---|---|
Das Eisenbahnmuseum in Temuco ist eigenartig. Mit seinen schlafenden Waggons, die da stehen, als wären sie Schiffe, die ins Meer segeln wollen, und den ausrangierten Lokomotiven, die einst den Süden von Chile bereisten, den „Wilden Westen meines Landes“, wie der Dichter Pablo Neruda diese regnerische Gegend bezeichnete. Seinen Namen trägt das Museum. Ein regungsloser Platz, obwohl alle Geschichten von Bewegung erzählen. Stillstand – bis zum Freitag, 5. Oktober. Einem Tag, an dem etwas Magisches passierte, das die Züge wieder zum Rollen brachte. Einmalig nicht nur für das Museum, sondern auch für die Stadt Temuco. Zur blauen Stunde begannen die Menschen, in das Museum zu strömen, über tausend waren wir, die es gewagt haben, uns in dieser kalten Nacht aus dem Haus zu trauen, um diese herzergreifende Schönheit zu erleben. Wir gingen, ohne zu wissen, was uns erwartet. Wir wussten nur, dass etwas Einzigartiges geschehen sollte, und so war es auch. Die Videoprojektionen des schweizerisch-deutschen Künstlers Louis von Adelsheim leuchteten auf Waggons und Kohlelager. Eine geradezu mystische Stimmung entstand. Wir sahen das unermüdliche Gehen von tausenden bunten Füßen, das Läuten einer gigantischen Glocke auf einer Wand des Kohlelagers, auf der anderen begrüßte ein riesiges Auge die kommenden Zuschauer. Die Projektion industrieller Prozesse, das Auf und Ab der Kolben und Ventile in Begleitung der Musik des Schweizer Komponisten Clematide hat die Zuschauer zum Schweigen gebracht. In Andacht betrachteten wir das monumentale Werk von Louis von Adelsheim. Es war Licht, das zu Form auf der Form wurde, und somit nicht nur Kunst, sondern Schöpfung. Es war eine neue Schönheit, die für zwei Stunden Züge und Herzen, unter dem Himmel im Süden des Südens bewegte. |
700 Kilometer südlich von Santiago de Chile liegt die Stadt Temuco an der Panamericana. Temuco ist Verwaltungssitz, Universitätsstadt, Versorgungs- und Handelszentrum der umliegenden, landwirtschaftlich geprägten Landesteile. Temuco ist auch der Geburtsort von Pablo Neruda und dessen Lebensmittelpunkt der ersten 17 Lebensjahre. Neruda ist Namensgeber des dortigen Eisenbahnfreilichtmuseums. Nerudas Vater ist dort „Bahner“ gewesen und er selbst war ein lebenslanger „afictionado“ der „Ferrocarril de Chile“ von der heute nur noch Teile übrig sind. In Resten eines aufgegebenen Rangierbahnhofes befindet sich in parkähnlicher Anlage ein gigantischer ehemaliger Kohlehochbunker „ein carbonera“, über dessen Schütten die Tender der Lokomotiven beladen wurden. Der Zahn der Zeit hat an der pockennarbigen, schmutziggrauen Stahlbetonkonstruktion seinepuren hinterlassen. Diverse, dem rostigen Zerfall preisgegebene Personenwaggons unterschiedlicher Epochen, sowie ein mit verschiedenen Lokomotiven und Waggons gefülltes Bahndepot mit intakter Drehscheibe bilden den Außenbereich des Museums. Im Museumsgebäude selbst ist Platz für einzelne Exponate der chilenischen Eisenbahngeschichte und genügend Raum für eine lebendige Ausstellungstätigkeit mit Arbeiten der bildenden Kunst, die überraschend gut besucht sind. Die Museumsdirektorin Scarlett Carter hat in außerordentlich engagierter Zusammenarbeit mit Andrea Brandes, Santiago de Chile, alle Anstrengungen unternommen, um Louis von Adelsheim, nach dem Erfolg der „Movimientos“-Ausstellung im MAC, Santiago de Chile, in die Provinz zu locken – die Provinz lebt offenbar gewaltig in Temuco. Louis von Adelsheim ließ sich mit Unterstützung seines Assistenten Marc Dörfel darauf ein, fünf Installationen hier in Temuco zu präsentieren. „Das Auge“ grüßte auf der schrundigen Betonwand der “ Carbonera“ im Bereich des Museumspark-Eingangs die Gäste. Eine Szene „Ein Blick in die Unendlichkeit“ auf der nächsten Seite des gigantischen Betonklotzes, auf dem noch rostige Schütten und Leitern in den verschiedenen Stadien des Zerfalls zu erkennen sind. Die dritte Seite des Kohlebunkers, oberhalb der Einfahrt für die Lokomotiven, gibt Raum für die schwingende „Glocke“ der Johannis-Kirche zu Lüneburg. Auf dem sich vom Kohlebunker entfernendem Gleis stehen sieben alte, fensterlose, von rotbraunem Rost überzogene, verwitterte, fensterlose Personenwaggons. Sie werden bei einbrechender Nacht in traumhafter Weise durch die „Füße von Bombay“ wieder ihrer aktiven Bestimmung übergeben. Auf drei parallelen Gleisen, die noch im Winkel von 90 Grad zum „B ombay-Zug“ liegen, befinden sich leicht versetzt, weitere Personenwaggons. Deren Enden werden jeweils mit der Installation „Feuersglut“ bespielt. Die Glut frisst sich ins Innere der türenlosen Wagen. Die Anordnung der fünf Installationen formt auf diese Weise für den Betrachter ein „Bühnenbild“ mit dem Prolog, dem Auge. In jeder Ecke dieses Bildes geschieht etwas anderes. Die sich weiter entwickelnde Finsternis der Nacht wandelt die gezeigten bewegten Bilder um in eine fast unfassbare Intensität. Temucos Regen ist für diese Jahreszeit eine stehende Größe. Der Regengott hat das am Tage zuvor und danach ausführlich bewiesen, für den Tag der Installation hat er ein trockenes und kaltes Einsehen gehabt. Die Erwartungen an Besucherzahlen wurden trotz der Kälte nicht enttäuscht: Die Einwohner von Temuco kamen in Scharen, groß und klein. Rund 1000 Besucher wurden an dem Abend gezählt. Ein offensichtlich ergriffenes Publikum, das auch mit Szenenapplaus nicht sparte, feierte die Kunst in Temuco, eine Kunst, die es in außerordentlicher Weise schafft, auch junge Leute in ihren Bann zu ziehen. Es feierte Louis von Adelsheim. Dank gilt den freundlichen Mitarbeitern des Eisenbahnmuseums. Dank gilt auch der unschätzbaren Vorarbeit von Scarlett Carter und Andrea Brandes, deren Verdienst es ist, dass Louis von Adelsheim sich in Temuco präsentieren konnte und den Beweis geliefert hat : die Provinz lebt ! |