Schöner Auftakt für die Videokunst-Ausstellung „Augenblicke“
von unserem Redaktionsmitglied Sabine Braun
Adelsheim. „Es gibt Augenblicke, in denen eine Rose wichtiger ist als ein Stück Brot“ – so schön fasst Rainer Maria Rilke den besonderen Moment in Worte. Solche wertvolle Augenblicke stellt Louis von Adelsheim in den Mittelpunkt seiner neuen Ausstellung im Schlosspark und der Innenstadt Adelsheim. Und wer sich auf seine Arbeit einlässt, der kann im stillen Park bei ruhigen Klängen und schlicht-schönen Bildern auch besondere Augenblicke erleben. Weniger bunt und vielfältig als beispielsweise der erste Kunstsommer fällt die aktuelle Präsentation aus. Dafür wird das Thema tiefer ausgelotet und fordert zum genaueren Hinsehen auf. Nun wurde die Ausstellung eröffnet.
An vielen Augenpaaren, Bildern von Augen und projizierten Blicken in der Marktstraße vorbei strömten die Kunstinteressierten am späten Abend auf den Oberschlosshof, wo weitere Augen-Blicke und die Aussicht auf das erleuchtete Schloss die Vorfreude erhöhten.
Durchs Schlossportal führt der Rundgang, und hinab in den Gewölbekeller zur Installation „Augenpaare“. Hier findet man komprimiert, was auf dem weiteren Parkspaziergang in spannenden Variationen folgt: eine ruhige Atmosphäre, die Blicke, von denen man sich merkwürdig angesprochen fühlt, und stimmige Musik. 108 Augenpaare werden nacheinander auf eine fast raumfüllende Glasfläche projiziert, jede Einstellung steht für ruhige fünf Sekunden.
Reihungen, aber natürlich auch Spiegelungen, die zu einem Markenzeichen der Arbeit von Louis von Adelsheim wurden, prägen die Arbeiten im Park. Der ist mit den wenigen angestrahlten Bäumen, den Leuchtkugeln und Fackeln selbst ein kleines Kunstwerk. Die Besucher genossen den Blick, der sich von der kleinen Brücke aus öffnet.
Die „Augenweide“, eine Installation aus sechs jungen und einem älteren Auge in der Mitte, projiziert auf Keramikkugeln, lockt zum Näherkommen. Je nach Standpunkt ist es mal, als stünde man vor einer Runde von Leuten, die einen anschauen, mal denkt man an eine Glucke mit ihren Küken. Von der Seite betrachtet hat die Anordnung der Kugeln auf Stahlpfosten etwas Strenges, Überwachendes.
Auf die Perspektive kommt es auch beim „Blickwinkel“ an, der Rückprojektion zweier verschiedener Augen auf zwei rechtwinklig aneinandergesetzte große Glasflächen hoch auf der alten Stadtmauer. Von weitem ergibt sich einfach nur ein schönes Bild vor Rentamt und beleuchtetem Kirchturm, steht man direkt unter den Flächen, haben die riesigen Augen etwas Bedrängendes. Je nach Standpunkt sieht man zwei gleich große Flügel oder ein „gestauchtes“ Bild.
Die große Spiegelinstallation und die fünf mal 25 Meter lange Großleinwand „bespielt“ Louis von Adelsheim wieder neu. Nicht, weil sich der teure Aufbau der Vorjahre rechnen muss – auch dieser Gedanke wäre bei einer Ausstellung, die ohne Zuschüsse auskommt, nicht ehrenrührig – sondern aus Überzeugung: Die Möglichkeiten sind lange nicht ausgereizt, findet der Künstler.
Während die Brandung im Kunstsommer 2006 auf der ganzen Breite der Großleinwand anrollte und die Fläche im Winter 2006 Triptychon-artig geteilt war, stehen die Betrachter jetzt vor einem gleich doppelt gespiegelten Videobild mit einem besonders ausdrucksstarken „Augenblick“ am Strand. Kinder kommen langsam auf die Kamera zu, und ihre Gestik, ihre Körperhaltung und ihre Gesichter vermitteln reine Lebensfreude, Spaß an der Bewegung und Glück. Louis von Adelsheim lässt die an einem Stück gedrehte Einstellung mit verringerter Geschwindigkeit laufen – in Technik umgesetzter Wunsch, dem Augenblick zu sagen: „Verweile doch, du bist so schön“.
Neu an der Spiegelinstallation „Ein Blick in die Unendlichkeit“, ist die Handkamera, mit der Louis von Adelsheim ganz nah an die über die Tasten eines Flügels tanzende Finger und an die Hämmer im Inneren heran geht. Zwischen diese Szenen montierten Louis von Adelsheim und Cutter Ralf Schultze Notenblätter-Szenen – und wieder entstanden eigenwillige Kaleidoskop-Bilder. Auch akustisch ist dieser Blick ein Genuss, denn man sieht nicht nur, wie Johannes Roloff die Beethoven-Sonaten spielt, man hört es auch.
Stimmige Musik unterstreicht auch den Augenblick am Strand: Angelo Clematide komponierte ruhige Klänge mit Tablas und sparsamem Gesang. Klänge, die man sehen kann: Die Installation „Klangbild“ ist nichts anderes als der durch Computertechnik sichtbar gemachte Ton. Einfacher gesagt: Man sieht, was man hört, eine lautlose Schönheit ganz in Blau.
Überhaupt blau: blaue Röhren und Strahler, blaues Meer, blauer Himmel, blaue Augen, die blauen Kleider der Kinder in der blauen Morgenstunde, die Installation „Vipassana“ über dem blau angestrahlten Wasserfall – Blautöne prägen die Ausstellung. Nur sparsam kommen rote Lichtakzente im Park und im Stadtgebiet dazu. Und selbst damit haderte der Lichtkünstler im Vorfeld, da er zu viel „bunt“ vermeiden wollte.
Ganz wörtlich nimmt die Installation „Echtzeit“ den Augenblick. Hier wird kein Videobild aufs Rentamt projiziert, sondern es ist der Blick auf eine Funkuhr zu sehen, übertragen von einer Kamera. Schaut man der Uhr beim Ticken zu, dann ist der Augenblick gerade schon vorbei.
Das poetische Wort darf nicht fehlen: Im Transformationshäuschen hört man Texte, die sich mit dem vergänglichen Augenblick auseinandersetzen. Spannend: Man sieht nicht den Mund der Sprecherin, sondern ihre Augen. Und ihre Blicke und die Worte laufen sozusagen synchron. Unter anderem Rilke liest sie, und Rilke begegnet noch einmal in der Installation „Raron“ auf der Höhe des Wasserfalls. Im Boden fast versteckt ist sein Grabspruch zu lesen.
Weniger poetisch drückt sich ein alter Bekannter aus, dem man auch ein paar Augenblicke Zeit schenken sollte: Michael Schönborn nörgelt wieder vom Oberschloss aus auf die Straße hinaus.
Jeder wird auf dem Rundgang sein persönliches Lieblingswerk finden. Mancher ließ völlig versunken die 40 Minuten am Strand auf sich wirken. Für andere war „Vipassana“ der Höhepunkt, eine Projektion, die von zwei Seiten schön ist. Vom Park aus sieht man das ruhige Bild eines am Meer Meditierenden ganz nah, von der Kirnaubrücke aus betrachtet scheint das Bild über dem Wasserfall zu schweben.
Nach dem Ausstellungsrundgang nimmt man sich Zeit, durch die Marktstraße zu schlendern. Dort greifen die Anwohner und Geschäftsleute die Ideen des Videokünstlers auf. Da sind auf Schaufenster geklebte Papieraugen, ganze Collagen von Blicken, aber auch Fotos von Augen zu sehen. Aus vielen Fernsehgeräten blinzeln Augen auf die Straße hinaus – noch nicht ganz so viele, wie die Ausstellungsmacher hofften, aber das kann ja noch werden.
Die Ausstellung ist bis 28. Juli donnerstags, freitags und samstags von 22 bis 1 Uhr zu sehen. Karten bei der Stadt Adelsheim 06291 / 62000 oder über das Internet (www.adelsheim-leuchtet.de). Weitere Bilder der Ausstellung „Augenblicke“ gibt es im Internet in einer Bildergalerie (www.fnweb.de).
Fränkische Nachrichten
28. Juni 2007