Starke Bilder versetzen in eine andere, stille Welt

Video-Kunstausstellung lockte Scharen in den Schlosspark

Adelsheim. Große Hektik empfing die Besucher am Freitag in Adelsheim: Dichter, lärmender Feierabendverkehr zwängte sich durch die Ortsdurchfahrt, parkende Fahrzeuge verengten die Straße, Schaulustige drängten sich auf ohnehin schmalen Gehwegen: Der Ansturm auf die Videokunstausstellung „Innen ist außen“ von Louis von Adelsheim und auf den Weihnachtsmarkt des Jugendhauses brachten den Verkehr fast zum Stillstand. Viele hundert Gäste wollten die Schau sehen und über den Markt bummeln.

War erst einmal ein Plätzchen für das Auto gefunden, dann konnte man sich auf das Haribo-bunte Städtchen einlassen. Vor allem rote, blaue und gelbe Neonröhren stimmten fröhlich, überall leuchteten Teelichte und dazwischen glitzerte die normale Weihnachtsbeleuchtung mit Lichterketten in den Bäumen und Schaufenstern.

Wer genau hinsah, bemerkte, dass die vielen hundert Neonröhren nicht wahllos gesetzt sind: Die gleich langen, meist im 45-Grad-Winkel aufgestellten Diagonalen wiederholen sich, waagrechte und senkrechte Röhren betonen Strukturen der Gebäude und der alten Gassen. Und dann gibt es immer wieder die blauen und gelben Linien, das „Wasser und Licht“-Zeichen des Kunstsommers. Gebäude ohne jede Beleuchtung fallen dagegen regelrecht auf.

Menschentrauben standen zwischen parkenden Autos und auf Gehwegen, um am Oberschloss, an der Apotheke und im Bereich der Sparkasse die Projektionen aus Handwerksbetrieben und anderen örtlichen Unternehmen anzuschauen. Nicht wenige staunten, wie vielfältig die Firmenlandschaft am Ort ist, und wie viel Handarbeit doch in der Wurst, der Salbe oder dem Bilderrahmen steckt. Das Besondere an den Handwerks-Bildern ist aber, dass die Adelsheimer hier Bekannte, Freunde und manchmal sogar sich selbst wiederfinden. So quittierte eine Clique von jungen Frauen die Bilder aus einer Zahnarztpraxis mit Jauchzen. „Wer putzt denn da die Platte?“ wurde bei den Aufnahmen vom Drucker gefragt, eine Frau fand die Hände ihrer Tochter, und ein Mann erkannte die Drehbank wieder, an der er selbst über Jahrzehnte gearbeitet hatte.

Cutter Ralf Schultze und Kameramann Louis von Adelsheim betrachten diese Bilder zwar vor allem als Dokumentation ohne hohen künstlerischen Anspruch, aber das kann man auch anders sehen: Schon in der Wahl der Kamera-Einstellung, der Konzentration auf die arbeitenden Hände, und in der Auswahl des Bildmaterials steckt eine eigene Ästhetik. So sahen es auch viele Betrachter. „Das hat er richtig gut gemacht“, lobte einer die Arbeit des Kameramanns, und sein Begleiter meinte anerkennend: „Der kann schon was“

„Das ist so wunderschön“ freute sich eine Frau mit einem kleinen Mädchen über die Kerzenversammlung – ebenfalls eine Projektion – im ehemaligen Reisebüro, und auch die riesengroße Lichterprojektion auf der Stadtkirche gefiel den Betrachtern.

Durch den fröhlichen Weihnachtsmarkt auf dem Hof des Unterschlosses führte der Weg schließlich in den Schlosspark und damit in den zweiten Teil der Ausstellung, die man auch unter das vertraute Motto „Ora et labora“ stellen könnte.

Dieser zweite Bereich wirkte nach dem Fest-Trubel wie eine andere Welt: Kaum war man um das diagonal-bunt beleuchtete Schloss herum gegangen, wurde es urplötzlich still. Das fröhliche Lachen und die Musik des Markts waren fern, man hörte seine Schritte auf dem Pflaster, und kurz darauf auf dem dick mit Mulch belegten Weg im Park eigentlich gar nichts mehr.

Fackeln und Teelichte erhellten den Pfad sparsam, und die Park-Spaziergänger dämpften automatisch die Stimmen. Man ging langsam, nahm Rücksicht und hatte ein freundliches Wort für diejenigen, die entgegen kamen. Dem Klang der Musik folgend näherte man sich dem 15 mal vier Meter großen Video-Kunstwerk im Park, einem dreigeteilten Bild in der Art eines Triptychons. Thema sind Christentum, Islam und Judentum. Immer steht ein zentrales Motiv in der Mitte, rechts und links laufen gespiegelte, kommentierende Aufnahmen. Mal sind es farbkräftige, stehende Bilder bedeutender Gegenstände wie ein Kreuz, ein Leuchter oder ein Minarett, dann Sequenzen von Ritualen wie Taufe oder Firmung. Eine starke Musikauswahl unterstützt die Kraft der Bilder. Vor diesem Anblick verstummten die meisten – natürlich nicht alle, denn so eine Aktion ist ja auch eine Gelegenheit, Bekannte zu treffen und zu plaudern. „So eine schöne Atmosphäre! Wir müssen auf jeden Fall noch einmal herkommen“, sagte eine begeisterte Besucherin am Schluss. Dazu ist bis 23. Dezember täglich von 17 bis 21 Uhr bei freiem Eintritt Gelegenheit. sab

© Fränkische Nachrichten – 18.12.2006