Videokunstausstellung „Adelsheim leuchtet 2006“ ist eröffnet
Adelsheim. Menschen sitzen in der Sommernacht am Feuer und betrachten das Meer, ganz entspannt: Damit ist eine der Visionen von Videokünstler Louis von Adelsheim für seine diesjährige Videoschau „Adelsheim leuchtet – Wasser und Licht“ Wirklichkeit geworden. Rund 150 Nachtschwärmer und Kunstfreunde kamen am Freitagabend zum Start von „Adelsheim leuchtet“.
In Blau und Gelb begrüßte das Baulandstädtchen seine Besucher. Der Blumenladen präsentierte Blüten in den Motto-Farben, in Schaufenstern prangte die blau-rot-gelbe Glühbirne, das Symbol des Kunstprojekts, vertikale Röhren und Flächen in Gelb an Geschäfts- und Wohnhäusern symbolisieren das Licht, blaue waagrechte Leuchten deuten den Fluss des Wassers an.
Wer schon bei der „Adelsheim leuchtet“-Premiere im letzten Jahr da war, ahnte, dass es auch außerhalb des Schlossparks, zum Beispiel beim Oberschloss, etwas zu sehen geben würde. So sorgte der leuchtende Kirnau-Wasserfall für Einstimmung auf „Wasser und Licht“.
Michael Schönborn dagegen hat mit Wasser nichts zu tun. Doch die Adelsheimer und alle Gäste hatten den „Nörgler“ im letzten Jahr so lieb gewonnen, dass Louis von Adelsheim nicht auf ihn verzichten konnte und wollte. Vom Fenster des „Nörglerhauses“ aus ranzt Schönborn – natürlich nur als Projektion – die am Freitag schon wieder zahlreichen Schaulustigen an, ihm nicht so ins Zimmer zu glotzen und schwadroniert über die Kippen und den Müll auf der Straße.
Im Schlosshof angekommen bekamen die Besucher beim Fernsehsender „atv“, ebenfalls ein Kunstprojekt, unterhaltsame Reportagen zu sehen, witziger Höhepunkt ist wohl der Bier-Werbespot. Viele nutzten die Gelegenheit, am großen „Empfänger“ noch vor der Video-Schau ein Gläschen Sekt oder Saft zu genießen.
Mit dem leuchtenden Anstecker, der Adelsheimer Variante der Eintrittskarte am Hemd, strömten die Kunstfreunde dann an der blauen „Garde“ vorbei in die Schau. Gleich die ersten Eindrücke gehören sicher zu den stärksten: Im Eingang des Schlosses hört man eine Frau reden, und dann sieht man sie auch: Sie sitzt unten am Ende der Treppe an einem Bachlauf und liest aus einem Buch. Lichtreflexe tanzen auf dem Wasser, Bäume spiegeln sich darin. Das alles ist Projektion; auch Manuela Reichart, die Frau, die dort unten Lyrisches und Informatives rund um das Thema Wasser vorträgt – eine sehr poetische, kontemplative Einstimmung.
Nur wer seinen Plan richtig studiert hatte, entdeckte jetzt über sich auch die lautlose „Wolkenschleuse“. Dann, hinter dem Schlossportal, geht der Vollmond riesig auf dem Rentamt auf, wieder eine stille, sehr eindringliche Installation. Nächste Station ist die „Glasbrücke“. Von freundlichen Helfern mit Filzpantoffeln ausgestattet, schlurfte man hier staunend und vorsichtig-irritiert über Wasser, projiziert von einer ganzen Reihe von Beamern unterhalb der Brücke.
Dann war das Wasser auch zu hören. Das Rauschen und Klappern kam schon von der nächsten Installation, dem Glasbrunnen. Hier füllen Hände immer neue Flaschen mit Wunder-Wasser. Louis von Adelsheim hat diese Bilder am Berner Glasbrunnen gedreht, zu dem die Pilger seit Jahrhunderten reisen.
Und schon wieder hörte man es von Ferne plätschern, dieses Mal von der Spiegelinstallation „Ein Blick in die Unendlichkeit“. Auf dem Weg dorthin wird man ermahnt, Wasser wieder schätzen zu lernen, und zwar von „Lesewasser“, einem blauen Rechteck am Rentamt, über das ticker-artig Texte laufen. Auf der anderen Seite des Pfads ist Licht das Thema. Schräg aufwärts gerichtete Strahler bringen Eichen und Kastanien, Rindenstrukturen, Blätterdächer und Efeugewirr hell zum Leuchten.
Vor dem großen Spiegel-Kasten fiel dann so mancher wieder auf die perfekte Illusion herein: „Geht das da tief runter“, staunten nicht nur kleine Betrachter über immer neue, kaleidoskopartig tanzende Wasser-Bildern. Die Landwirtschaftschule wurde zum „Oceonario“, in dem hinter Fenstern glubschäugige Fische vorüber schwammen – wieder so eine Täuschung.
Die Installation „Ich“, eine Konfrontation des Betrachters mit dem eigenen Tod, ist das einzige Lichtkunstwerk, das schon im Vorjahr zu sehen war. Und dennoch gab es hier am Eröffnungsabend schon wieder Staus. Teilweise bis zu 30 Besuchern warteten auf Einlass.
Danach saß man endlich am gewaltigen Meer, das schon von weitem zu sehen und zu hören war. Holz-Sitze sind dort um eine große Feuerstelle aufgebaut, man kann sich niederlassen und das Meer als 25 Meter breite Großprojektion auf sich wirken lassen – ein Höhepunkt der Schau und auch baulich eine Meisterleistung, für die Konstrukteur Marc Dörfel hauptverantwortlich ist.
Vielleicht nicht Kunst, aber gelungene Handwerkskunst sind die Holztreppen und vor allem die beiden Veranden, die im Oberschloss-Hof zum Ausruhen einladen. Dorthin führt der Weg vom Meer aus, und hier gibt es noch zwei hintersinnig-humorvolle Installationen: Die „Spiegelbrücke“, die den Betrachter in recht schiefem Licht erscheinen lässt, und „Adelsheimer Leitungswasser“.
Mit den erleuchteten Bleiglasfenstern, mit dem blau-gelben Wasserfall und den vielen Neonröhren präsentiert sich die Marktstraße sehr farbig. Doch die Schau selbst ist weniger bunt als im letzten Jahr. An die Stelle des leuchtenden Rot und Blau an Blättern und Fassaden ist ein weißes, naturalistisches Licht getreten. Angestrahlt ist hier eine alte Tür in der Stadtmauer, da ein Fenster. Im verwunschenen Abschnitt an der Kirnau ist die Tuffsteinhöhle illuminiert, eine Säule angestrahlt.
Und während letztes Jahr in der Werkschau ganz verschiedene, aktuelle oder auch ältere Installationen und Filme des Videokünstlers zu sehen waren, ist die Präsentation jetzt thematisch konsequenter, tiefgründiger und deshalb für manchen der Vernissage-Gäste noch besser als im Vorjahr. Es geht fast ausschließlich um Wasser und Licht. Dabei ersetzt das echte Rauschen der Kirnau und das aufgezeichnete Plätschern, Brausen und Tosen jede Art von Musik. Also alles anders, aber ebenso sehenswert wie im Vorjahr. sab
© Fränkische Nachrichten – 26.06.2006