Weltende Hauptbahnhof und zurück

Adelsheim. „Reisende nach Weltende Hauptbahnhof begeben sich bitte auf Gleis 1“- mit diesen Worten wird der Passagier der „Glücklichen Reise“ im Schlosspark begrüßt. Bilder einer Modelleisenbahn bilden den Auftakt zur kleinen, vorweihnachtlichen Adelsheimer Videokunstaktion, die am Freitag begonnen hat und noch einmal am kommenden Wochenende zu sehen sein wird. Als Ausstellung mag Initiator Louis von Adelsheim die Schau nicht bezeichnen: „Es ist einfach ein Parkspaziergang, der mit schönen Bildern, Feuerstellen und beleuchteten Bäumen zum Entspannen und Träumen einlädt“.

Abfahrt nach Weltende

Gleich hinterm Schloss beginnt die Reise nach Weltende, Abfahrt – oder Ankunft? – ist am Adelsheimer Ostbahnhof. Eine Gruppe von Adelsheimern fährt mit Sack und Pack ab. Fast sieht es aus, als wollten sie ganz auswandern. Obwohl Louis von Adelsheim die Aufnahmen erst vor ein paar Tagen drehte, sehen die Schwarz-Weiß-Videobilder regelrecht historisch aus. Tatsächlich kann man Andreaskreuz und Schranke am Ostbahnhof nur noch wenige Monate bewundern, denn bekanntlich wird der Bahnübergang beseitigt.

Der Spaziergang durch den illuminierten Park führt dann zu einem Karussell, das sich in der Spiegelinstallation dreht und vor allem die Kinder beeindruckt: „Wie weit geht es da denn runter?“, fragen sie, getäuscht von den ins Unendliche vervielfältigten Bildern. Zu Tucholskys „Kunst, richtig zu reisen“, in dem Fall nach Jerusalem, jagen sich Adelsheimer Kinder im Sechseck-Pavillon um die Stühle; tiefe Ruhe strahlen dagegen vervielfältigte Tai-Chi-Übende aus. Und wenn die Vögel durch vier Fenster in der Landwirtschaftsschule rauschen, dann liegt Nils Holgerssons wunderbare Reise mit den Wildgänsen in der Luft.

Rauschhafter Überflug

„Hier ist nichts“, liest man, wenn man sich danach den Bildern auf der Großleinwand nähert. Und auf dem nächsten Schild steht „Bitte nicht stehenbleiben“. Wie bitte? Soll man wirklich achtlos vorbeigehen? Es könnte aber auch die Botschaft sein, im Leben nicht stehen zu bleiben, immer offen für Neues zu sein. Oder doch Ironie? Louis von Adelsheim löst das Rätsel schmunzelnd auf: Er habe darüber gestaunt, dass viele Besucher geradezu an der Leinwand vorbeirennen, erzählt er. „Seit da das Schild steht, bleiben die Leute stehen“. So ist es tatsächlich, und die vielen hundert Besucher des Wochenendes erlebten auf der Großleinwand eine dreifache Reise, die mit ruhigen, kühlen Großaufnahmen von Rolltreppen beginnt, in melancholische Nacht-Bilder einer Autobahnfahrt übergeht und in einen rauschhaften Wolken-Wüsten-Überflug mündet. Musik unterstreicht die Kraft der Bilder, die Cutter Ralf Schulze einfühlsam geschnitten hat.

Alles am schönsten

Der Spaziergang endet in der freundlichen Oberschlossbar. Hier gönnt man sich in der kalten Nacht ein heißes Getränk und denkt darüber nach, dass diese Reise nirgendwo hinführte und doch schöne Eindrücke brachte. Oder man wärmt sich an den großen Feuerstellen, die die Besucher fast magisch anziehen. Und nimmt es wie eine ganz kleine Besucherin am Samstagabend: „Ich finde, alles im Adelsheim Schlosspark ist am schönsten“.
Die „Glückliche Reise“ ist noch einmal am Freitag, 18., Samstag, 19., und Sonntag, 20. Dezember von 17 bis 21 Uhr zu sehen. Eine Ausstellung mit Aquarellen von Gabriele Genieser lädt zu einem Abstecher in den Schlosskeller ein. Der Eintritt zum Park-Spaziergang ist frei, Spenden sind willkommen. sab

Fränkische Nachrichten
14. Dezember 2009